Papier raschelt für die Seele.

Neulich
… hat eine Freundin von mir bei einem Antiquitätenhändler einen Papierschrank für ihr Zeichnungen gekauft. Einer mit vielen, tiefen, flachen Schubläden, um die Blätter ohne Knicken zu lagern.
Das Zauberwort heißt „Antiquitätenhändler“. Eine Buchbinderei hat das gute Stück abgegeben. Der 3 Meter hohe Schrank wurde geliefert.

Und er war voll!
In jeder Schublade war Papier.

Papier – ein Paradies an Eindrücken.
Papier raschelt
Papier knistert, riecht, wellt –
Papier lebt. Und hier war eine Fülle, die ich noch nie erlebt habe.
Wir haben einen Tag gemeinsam sortiert. Nach Größe, Farbe, Struktur. Und ich bekam einen großen Stapel für mein Buchbinden.

Diese haptische Verbindung zu Papier macht das Schreiben mit der Hand so wertvoll.
In meinem Brotberuf beschäftige ich mich mit Digitalisierung. Flüchtig. schnell. vergänglich. Wie schnell drück ich „entf“ und weg. Die Spuren meines Schaffensprozesses – einfach ausgelöscht.

Am Papier bleibt Raum zum Kritzeln, Kratzen, Radieren, Schmieren.
Schaue ich in mein Notizbuch, seh ich Überschriebenes, neu Formuliertes, Skizziertes – sehe ich mich.

Skizzenbücher, Notizbücher sind Werke, die bleiben.
Vererbt werden. Weitergegeben. Das alte Kochbuch meiner Oma zeugt von manchem Tag in der Küche.
Das Werkbuch aus meinen Anfängen als Lederbildhauerin lässt mich dankbar zurückblicken.

Neulich
… bin ich auf The Sketchbook Project gestoßen, der größten Sammlung von Künstlerskizzenbüchern. Ehrenamtlich. Online + Offline.
A SKETCHBOOK IS A PLACE TO PUT YOUR HEART – LET IT INTO THE WILD.

Die perfekte Synthese der beiden Welten, in denen ich mich bewege.
Du kannst dort dein Skizzenbuch, das du überall rumgetragen hast, in dem du gearbeitet und gedacht, gelebt und gelitten hast, mit der Welt teilen.
Jedes der dort eingeschickten Skizzenbücher reist mit einem Bookmobile zu Pop-up-Residencys, Zeichenveranstaltungen und Schulbesuchen. Während dieser Reisen wird deine Geschichte durch Ausstellungen und verschiedene Lernerfahrungen geteilt. Dein Denken und Wirken wird somit Teil des kollektiven Gedächtnisses.
Und in der Digital Library kannst du ewig schmöckern.

Dieses Schmöckern fühlt sich für mich genauso schön an, wie einen Sonntag lang Papier zu sortieren.